Ich stehe im Badezimmer. Das Licht flimmert und ich spüre die kalten Fliesen unter meinen nackten Zehen. Die Wärme meiner Füße weicht einem klammen Gefühl und ein Blick in den Spiegel zeigt mir, dass sich meine Haut wieder stärker entzündet hat. Ich seufze. Eine ungesunde Röte zieht sich quer über meinen Hals, breitet sich aus und nimmt mich in Beschlag. Fleckig, trocken, hässlich. Auch unter meinen Augen und an den Wangen kann ich die Spuren sehen. Es juckt und ich widerstehe gerade so.

Dieser Drang in mir, mich erneut aufzukratzen – mir weitere Wunden zuzufügen, die mir als Narben meiner selbst für immer bleiben werden. Es hat mich komplett im Griff, dirigiert mein Leben, bestimmt, wie ich mich fühle – ob ich mich wohl fühle in meiner eigenen Haut.

Fühle ich mich wohl?

Ein brennendes Ziehen kriecht meine Arme hinauf. Ich spüre, wie sich meine Haut schmerzhaft zusammenzieht. Ein Kribbeln im Nacken. Um mich herum wird es dunkel, schwarze Schemen zeichnen sich an der Wand vor mir ab und im Augenwinkel diese tiefschwarze Gestalt. Sie wird mich gleich erreichen. Ich versuche ihr auszuweichen, drehe mich um. Schnell durch die Tür nach draußen. Einfach weg und in Sicherheit! Doch die Tür ist verschwunden, es gibt kein Entkommen. Die Gestalt kommt näher und streckt ihre Hände nach mir aus. Harte unnachgiebige Finger packen mich und schließen sich um meinen Hals. Noch mehr Klauen graben sich in meine Haut, ziehen mich, drücken. Bis ich meine, ersticken zu müssen und drohe, im bodenlosen Schwarz unterzugehen.

Nein!

Ich trete um mich. Lass mich los! Doch es ist mein Körper, der mich festhält, meine Hülle, die mich einengt, meine eigenen Arme, die sich nach mir strecken, meine Hände, die das schreckliche Brennen auf meinem Hals und meinen Armbeugen auslösen. Es kratzt und beißt. Ich greife grob nach mir und habe mich doch nicht im Griff. 

Hör auf!

Doch es geht immer weiter. Meine Nägel graben sich tief in die weiche Haut. Greller gelber Schmerz durchströmt mich und gleichzeitig eine selbstzerstörerische Befriedigung. Dann: Rot.

Ich blute und kann doch nicht ablassen. So tief gefangen in meiner Rage und in mir selbst. Ich kann nicht aus meiner Haut. Niemand kann das und so gebe ich mich hin. Bis ich mich erinnere.

Widerstehe! 

Hände, haltet still! Ich balle sie zu Fäusten. Besser. Nicht aufgeben. Nicht nachgeben. Finger, entspannt euch! Krümmt euch nicht zu Klauen. Lasst ab vom geschundenen Fleisch. Gut so. Kämpfe! Lass es nicht weiter zu. Spüre den scharfen Schmerz und nicht das lockende kribbelnde Jucken, das dich dazu verleiten will, dich weiter zu schinden.

Ich öffne die Augen. Meine Hand ist zur Faust geballt und starr gegen den Arm gedrückt, den sie eben noch bearbeitete. Ich nehme sie langsam herunter. Entspanne die Finger und begutachte den Schaden. Ein dünnes Rinnsal tiefen Rots läuft langsam hinab zu meinen Fingerspitzen. Erneut offen. Unter meinen Nägeln die Überreste der vor wenigen Sekunden noch halbwegs intakten Haut. Im Waschbecken ein Schlachtfeld aus zahlreichen kleinen Fetzchen und Schuppen. Es brennt höllisch, aber das ist besser als der Klammergriff des Juckreizes. Ich habe mich wieder unter Kontrolle. Vorerst.

Auch die Stelle an meinem Hals ist wieder offen, dort wo mich die Dunkelheit in ihrem Würgegriff hielt, an dem ich jedes Mal fast zu ersticken drohe. Nicht am Sauerstoffmangel. An diesem schweren alles überwältigenden Zwang, der mich unter sich begräbt und jegliches Wohlgefühl auslöscht. Ich bin in meinem Körper gefangen. In ihm der nie schlafenden Bedrohung ausgesetzt.

Wo soll ich hin, wenn sich mein Feind in mir befindet, und sich das Zuhause meines Geistes gegen mich stellt?

Und es juckt schon wieder. Die kurze Erlösung, die das Kratzen verspricht, ist so verlockend. Ich reiße den Blick von meinem Hals im Spiegel los. Dieses Mal nicht!

Ich öffne den Badezimmerschrank und nehme eine schlanke Tube heraus. Langsam schraube ich den Deckel ab, tupfe mit den Fingern das kühlende Weiß auf Gesicht und Hals. Auf die in allen erdenklichen Rottönen schillernde Haut. Ein Streifen Weiß verdeckt für einen Moment diesen Teil von mir.

Linderung.

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